Manchmal legt einem das Leben Schildkröten in den Weg

Da gibt es noch eine kleine Sache, die ich in Teil 1 meiner Mallorca-Beiträge nicht erwähnt habe. Und zwar, dass ich ab nächstes Jahr dort leben werde. Richtig gelesen! Ich ziehe nach Mallorca! Was sagt man dazu? Manche waren überrascht, dass ich auswandere, andere waren überrascht, dass ich „erst jetzt“ auswandere. Insofern hatte dieser Urlaub einen eindeutigen Hintergedanken und um die Geschehnisse der ersten Tage in Palma zu vervollständigen, gebe ich gerne zu, wie ich anfangs schon ziemlich nervös durch die Altstadt spaziert bin. „Können wir uns das vorstellen, hier zu leben?“, „Ziehen wir das wirklich durch?“ … „JA!“

Nachdem nun die letzten Zweifel an unserem Vorhaben verflogen waren, konnten wir unseren Urlaub in vollen Zügen genießen und uns aufmachen, unsere künftige Heimat näher zu erkunden. Den dazu notwendigen fahrbaren Untersatz erhielten wir bei Jill und Alex von Lazy Bus. „El Abuelo“ (der Großvater), ein fast 40 Jahre alter VW T3, sollte uns für die kommenden Tage nicht nur von einem Strand zum anderen bringen sondern uns zugleich auch noch als Schlafplatz dienen. Und obwohl der Oldtimer sich vielleicht weniger komfortabel als ein Neuwagen fährt und es manchmal hier und dort bei einer Tür klemmt, hat man ihn sehr schnell ins Herz geschlossen und ist ein bisschen traurig, ihn am Ende des Urlaubs wieder zurückgeben zu müssen.

Nach einer kurzen Probefahrt und ausgestattet mit vielen Tipps für Übernachtungsplätze vor allem an der Küste ging unser Roadtrip los. Erster Halt war Santanyi, eine charmante kleine Stadt im Südosten der Insel. Danach ging es zum Strand S’Amarador. Als ersten Schlafplatz mit unserem Abuelo haben wir jedoch die Cala Llombards ausgesucht. Während wir tags zuvor noch mit vielen anderen Badegästen am Strand waren, mussten wir nach dem Aufstehen nur ein paar Meter durch den Sand laufen und uns nur mit ein paar wenigen Frühaufstehern die Bucht teilen. Aufwachen und direkt ins Meer. Was für ein Start in den Tag. Weiter ging es dann an der Ostküste entlang zunächst nach Portocolom auf ein Stück Mandelkuchen und zur Cala Anguila, wo wir in der zweiten Nacht unser Quartier aufschlugen. Weil das am Vortag schon so schön war, auch dort nach dem Aufwachen Tür auf, den Sand unter den Füßen spüren und eine Runde schwimmen. Herrlich. Nächster Halt war die Cala Agulla ganz im Osten der Insel, von wo aus wir uns auf eine Wanderung zum Talaia de Son Jaumell machten, einem alten Wachturm, von dem aus man eine traumhafte Aussicht auf die beiden Buchten Cala Agulla und Cala Mesquida genießen kann. Der Weg dorthin sei, glaubt man manchen Beschreibungen im Internet „einfach bis mittel“  (calaratjadaguide.com) und dauere hin und zurück knapp zwei Stunden. Bei uns hat es dann doch ein klein wenig länger gedauert. Irgendwie sind wir vom einfach bis mittelschweren Weg abgekommen und waren nicht immer sicher, ob wir es noch bis zum Ziel schaffen würden. Bestimmt drei, vier Mal ging der Weg nicht erkennbar weiter und wir mussten wieder ein Stück zurück, um eine andere Route auszuprobieren. Als der Enthusiasmus und die Geduld drohten, sich langsam dem Ende zu neigen, machte ich auf einem unserer Irrwege eine Entdeckung und schrie vor Freude auf. Eine nur handtellergroße Schildkröte saß mitten auf dem Weg.

Die unverhoffte Begegnung mit dem niedlichen gepanzerten Kriechtier gab uns wieder neuen Schwung und ist ganz nebenbei eine schöne Metapher dafür, dass der direkte Weg nicht immer der schönste ist. Abendessen und Frühstück des folgenden Tages nahmen wir in Cala Ratjada ein und machten uns danach auf nach Alcudia. Der Vollständigkeit halber: Dazwischen waren wir nochmal schwimmen am Playa de Muro. Bevor wir die letzte Nacht auf unserer Reise im Olivenhain der Lazy Finca von Jill und Alex verbrachten, steuerten wir noch einen besonders spektakulären Spot mit unserem Bulli an. La Victoria ist einer der Geheimtipps zum Campen, die uns mitgegeben wurden. Die Halbinsel im Norden von Mallorca bietet eine grandiose Aussicht auf das bekannte Cap Formentor, welches zusammen mit dem Tramuntana Gebirge für unseren T3 verboten war. Jedoch stellten wir uns bei der Fahrt dorthin auf den schmalen Serpentinen, die Frage, ob es im Gebirge tatsächlicher noch anspruchsvoller für unseren Abuelo sein konnte. Der angegebene Stellplatz war kurz vor einem Schild, das auf eine Sperrung der Straße wegen der dort beginnenden Militärzone hinwies und direkt an einer Klippe. Grandioser Meerblick aber hier zu übernachten, war uns dann zu unheimlich.

So ging es zum Schlafen nach Son Serra de Marina. Von dort aus startete der letzte komplette Tag unserer Reise, an dem wir nochmals sowohl zu Fuß als auch mit unserem VW-Bus einige Meter machten. In Palma marschierten wir zum Castell de Bellver, in Paguera ging es ein letztes Mal ins Meer und am Abend wieder zurück zur Lazy Finca. In gerade einmal einer Woche haben wir viel gesehen und erlebt und hatten einen Mallorca-Urlaub, der so manches Mal sehr viel abenteuerlicher war, als man es von dieser Insel gemeinhin vermutet. Und wenn ich es sonst schade finden müsste, viele Orte noch nicht gesehen zu haben, kann ich mich jetzt nur um so mehr freuen, da ich nächstes Jahr hierher zurückkommen werde. Bei dem Gedanken wird mir ganz warm ums Herz. Die Vorfreude auf diesen Schritt und alles was danach kommt ist gigantisch. Aber vielleicht passiert vor dem Umzug sogar noch etwas, über das sich an dieser Stelle zu schreiben lohnt …

Mal Luxus, mal VW-Bus, Mallorca

Wer hätte gedacht, dass nach dem letzten Eintrag auf dieser Seite fast zwei Jahre ins Land gehen bis sich der Shaolinzonk wieder zu Wort meldet? Eine ausführliche Erklärung dafür ist nicht vonnöten. Ich belasse es dabei, mich dankbar zu schätzen, dass der Verzicht auf Flugreisen zu den gravierendsten Konsequenzen der COVID-19-Pandemie für mich persönlich gehört hat und ich diese Zeit physisch und psychisch schadlos überstanden habe.

Nun bin ich zurück! Und das nicht alleine. Stolz darf ich einen neuen Charakter auf diesem Programm introducen, das so lange vortrefflich aber im 21.Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß als buchstäbliche One-Man-Show gelaufen ist und mit einem männlichen Hauptdarsteller funktioniert hat. Ich darf vorstellen: Jesse, meine zauberhafte und ebenfalls reisebegeisterte Freundin ist zum ersten Mal mit unterwegs. Ob es bei dieser knappen Beschreibung ihrer Person bleibt oder ihr sie auch einmal in Bildform zu Gesicht bekommen werdet, steht zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags noch nicht fest. Ohne eine sorgfältige Prüfung und ausdrückliche Genehmigung des potentiellen Bildmaterials durch Jesse selbst geht natürlich nichts. Und so lasse ich vorerst allen, die sie im Real Life noch nicht kennenlernen durften, die Option, sie als meine imaginäre Freundin zu betrachten und anzunehmen, ich hätte sie nur zu Zwecken der Dramaturgie und auf Anraten der Gleichstellungsbeauftragten meiner Website erfunden.

Nach dieser Einleitung steigen wir nun aber endlich wieder in den Flieger. Ziel unserer Reise ist die größte Insel der Balearen, Mallorca. Herrlich, denn das ist wieder einer aus der Kategorie „und so schließt sich der Kreis“ und ich mag diese Redensart und Kreise sind eine runde Sache. Mallorca war damals vor über 20 Jahren die erste Flugreise meines Lebens. Familienurlaub im Club-Hotel. Ich erinnere mich an so gut wie gar nichts. Allerdings ist überliefert, dass ich mich damals massiv über hohe Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf dem Rollfeld am Flughafen in Palma echauffiert habe. Der Urlaub diesmal sollte ganz anders ablaufen. Ich habe diesmal darauf verzichtet, mich auf den Boden zu werfen und zu schreien, dass ich nicht schwitzen will (mit Ende 20 kann man sich eine solche Szene nicht mehr erlauben) und anstatt Club-Hotel checkt man zunächst in ein Hostel in Palma de Mallorca ein, um sich anschließend für fünf Tage einen VW-Bus auszuleihen und damit kreuz und quer durch die Insel zu fahren.

Also zum Auftakt zwei Nächte in der Hauptstadt. Wenn ich in der Überschrift von Luxus rede, meine ich weniger unsere Unterkunft, die als handelsübliches Hostel mit Bett und eigenem Bad das bietet, was man hiervon erwarten würde. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Viel eher bezieht sich der Luxus auf die Restaurantbesuche, bei denen sich ein kulinarisches Highlight an das nächste gereiht hat. Im Laufe unseres Urlaubs gab es unter anderem spanische Klassiker wie Tapas oder Paella aber auch mal Pat Thai, um die Erinnerung an Asien wieder aufzufrischen. Absoluter Höhepunkt war das Menü in der Casa Gallega, wo alleine die verschiedenen Vorspeisen schon für ein grandioses Essen gereicht hätten. Beim Hauptgang haben wir uns dann für Hummer entschieden. Für uns beide eine Premiere. Ganz ohne fachmännische Anleitung haben wir es tatsächlich recht passabel geschafft, das imposante Schalentier zu zerlegen. Und geschmeckt hat es auch hervorragend. Ihr seht, wir haben es uns richtig gut gehen lassen. Im zweiten Teil der Reise wurde es dann etwas rustikaler aber nicht weniger schön. Dazu mehr im nächsten Artikel.

Bekannte Gesichter – 3 D(resden), noch nie Nürnberg, Wiedersehen in Würzburg

Zum dritten Mal in meinem Leben bin ich der sächsischen Landeshauptstadt. Das erste Mal war ein Schulausflug. Beim zweiten Mal ging es um Berufliches. Ich stelle also mit einem Schmunzeln fest, dass ich erstmals aus freien Stücken hier bin. Mit dem Zug aus Prag kommend führte die Fahrt mitten durch die Sächsische Schweiz. Da müsste man sich auch mal separat aufhalten und ausgiebigst wandern gehen. Damit nehme ich gleich den roten Faden des heutigen Beitrags in die Hand und falls er mir zwischendrin durch die Finger gleiten sollte, er spinnt ein Loblied … Moment, ein Loblied kann man anstimmen aber nicht spinnen … neuer Versuch für eine Metapher … er verdichtet sich zu einem Wollknäuel der Bewunderung für das Land der Dichter und Denker. Deutschland ist spannend und so facettenreich und ich werde mir sicherlich nicht den Vorwurf machen lassen, „auf der ganzen Welt“ gewesen zu sein und kaum mein Geburtsland bereist zu haben.

Dresden hat sich schon bei der Ankunft irgendwie vertraut und heimelig angefühlt. Frauenkirche, Semperoper das kannte man noch aus früheren Besuchen. Die Neuheit für mich war diesmal die Neustadt, wo sich meine Unterkunft befand. Äußere Neustadt sagt Google, „Szene- oder Kneipenviertel“ sagt vermutlich Lonely Planet, „Assi-Eck“ nennen es die Locals liebevoll. Der Lifestyle, der dort zelebriert wird, gibt mir das Gefühl, meine Studi-Zeit läge bereits Jahrzehnte zurück und entlockte mir einen tiefen in der Vergangenheit schwelgenden Seufzer. Mein mir selbst auferlegtes Party- und Spaßverbot wird hier aufs Äußerste auf die Probe gestellt, wenn zum Beispiel auf der Straße ein spontanes brasilianisches Rap-Konzert gegeben wird. Eine komplett andere Welt…

Im direkten Vergleich (ja ich vergleiche schon wieder) mit Prag gewinnt für mich ganz klar Dresden. Es ist irgendwie bodenständiger und gemütlicher, weil es glücklicherweise nicht so gehyped wird und weniger auf dem Radar vieler Touristen liegt. Nichts Negatives, was ich persönlich über Dresden berichten könnte. Klarer Reisetipp von mir. Anschauen!

Ebenfalls anschauen oder sollte ich sagen: genauer hinsehen, wollte ich auch in Nürnberg. Dort war ich sogar noch um einiges öfter. Aber – und das ist der traurige und entscheidende Zusatz – immer nur am Hauptbahnhof. Nürnberg hat ja auch eine so wunderschöne Altstadt. Und wo ich schon das Vergleichsfass offen habe … die Herbstmärkte von Dresden und Nürnberg musste ich natürlich auch vergleichen. Hierzu keine Rangfolge. Da gibt’s nur Gewinner. Vor allem mich und meinen stets hungrigen Magen.

Und wie könnte ich meine Deutschland-Tschechien-Tour emotionaler abschließen als mit einem Abstecher in meine alte Heimat Würzburg. Ich leihe mir mal kurz eine Textzeile von Morrissey und mache aus „Irish Blood, English Heart“ „Bairisch Blood, Frängisch Heart“, wie meine Version lauten müsste. Gemütlich Essen gehen mit Freunden und entspanntes Verweilen an seinen Lieblingsecken der Stadt. Das füllt den Gute-Laune-Akku bis zum Rand. Ach ja, es muss nicht immer etwas Neues sein. Eine Rückkehr zur vertrauten Umgebung ist auch stets eine Bereicherung. Diesmal also näher an der eigenen Haustür als am anderen Ende der Welt. Und irgendwo zwischen diesen beiden Polen wird auch die nächste Geschichte spielen, die ich euch erzählen werde. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Bis dahin haltet die Augen offen, ob es nach buchstäblich zweimal Umfallen nicht genauso schön sein kann wie tausende Kilometer entfernt. Der Shaolinzonk verneigt sich und sagt: Hasta luego

PRAGmatisch, praktisch, gut?

Lange ausschlafen, oft und gut Essen gehen … Urlaub eben. Das mag für den einen oder die andere schwer nachvollziehbar sein aber ich fremdel ein wenig damit. Ich komme mir extrem passiv vor. Und das trotz vieler Meter zu Fuß. Sightseeing per Bus gibts bei mir nämlich nach wie vor nicht. Man läuft, man setzt sich hin, man steht wieder auf, man läuft, man setzt sich hin, man isst etwas, man läuft, man denkt über den Sinn des Lebens nach etc. Ich tue im Grunde genau das, was ich mir vorgenommen habe. Das ist zwar wenig, aber ich setze es konsequent um. Ich ziehe mich aus dem Alltag zurück und besinne mich ganz auf mich. Nur bin ich mal wieder auf hohem Niveau unzufrieden.

Ich beobachte die vielen Touristen in Tschechiens Hauptstadt und zerbreche mir den Kopf darüber, worin ich mich noch von ihnen unterscheide. Sie bezahlen mehr Geld für ihr Hotel, sie haben besseres Foto-Equipment, sie machen Touren, damit ihnen jemand sagen kann, welche Plätze schöner sind als andere, sie gehen nur in Restaurants, die ihnen empfohlen worden sind. Diese Aufzählung beruhigt mich. Da hat man die Pubertät schon längst hinter sich gelassen aber immer noch möchte man unangepasst und unverwechselbar sein. Der kleine Lukas spielt nur mit euch im Sandkasten, wenn seine Schaufel eine andere Farbe hat. Ich sollte endlich aufhören, mich mit anderen zu vergleichen und mich vor mir selbst zu rechtfertigen. Wie sagte mein alter Freund Darren damals so schön: „Let’s be fucking tourists!“ Auch mal wie die anderen sein, die Dinge so wie sie tun. Why not? Individuell genug bin ich immer noch und wenn’s ganz verrückt läuft, hat man sogar Spaß dabei.

Reality Czech

Kann man gleichzeitig sitzen und stehen? Packen wir einmal alles in einen größeren Kontext, um diese Frage zu beantworten. Die Zeit meines Lebens, in der ich meine Klamotten im Schrank und nicht im Backpack aufbewahre, findet auf diesem Kanal ja recht selten Erwähnung. Das ist gewollt und das ist auch gut so. Wichtig für den heutigen Beitrag ist jedoch zu wissen: Seit geraumer Zeit ist der Ausdauersport meine große Leidenschaft und dieser nachgehend habe ich mich für meinen ersten Marathon angemeldet. Er findet in zwei Wochen statt. Nun halte ich mich grundsätzlich für ein ziemlich gerissenes Kerlchen aber den Großteil meines (Jahres-)Urlaubs unmittelbar vor diesen Termin zu legen, wird gewiss nicht als einer meiner besten Einfälle in die Historie eingehen. Ich nehme diesen Marathon nämlich überaus ernst und das bedeutet für mich, einer klaren Strategie in Sachen Training, Ernährung etc. zu folgen. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen auf Reisen.

Damit zurück zur Einstiegsfrage und deren Auflösung. Ich sitze buchstäblich auf einer Parkbank im tschechischen Pilsen, sehe der Sonne nach meinem Empfinden viel zu früh beim Untergehen zu und fände 5 Grad mehr bei der Gelegenheit auch sehr angenehm. Währenddessen stehe ich auch … und zwar ein ganzes Stück neben mir. Das jetzt metaphorisch, klar. Aber mir gefällt dieses Bild und so stellt euch mein stehendes, metaphorisches Ich weiter vor, wie es den Kopf schüttelnd zu meinem sitzenden Ich sagt: „Was zur Hölle machst du hier? Und überhaupt, Pilsen … du trinkst doch gar kein Pils.“

Wer den Gedanken lustig findet, wie ich mich auf einer Reise so gar nicht amüsiere, der male sich folglich dieses Szenario aus: Ich sitze mit meinen Zimmerkollegen in einer Bar. Alle bestellen Bier und Nachos. Ich bestelle mir einen kleinen Salat und ein stilles Wasser und sage um 10 Uhr: „War ’n schöner Abend aber ich muss jetzt ins Bett. Morgen früh ist Training.“

Wer allerdings Zweifel an dieser Szene hat, der muss sich lediglich die Frage stellen, wann er es das letzte Mal erlebt hat, dass ich einen KLEINEN Salat bestellt habe …

Sabbat, da war doch was…

Fast zwei Wochen Israel sind rum. Zeit für das obligatorische Fazit. Gemessen an meinen Erwartungen und Vorurteilen, denen man bisweilen begegnet, kann ich für mich festhalten: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ausgenommen das Gericht Shakshouka, das noch regelrecht am Dampfen ist, wenn es serviert wird. Kulinarisch war ich hier zweifelsohne bestens versorgt. Die Anzahl an kichererbsen-basierter Mahlzeiten, also Hummus und Falafel, betrug schätzungsweise 1,6 pro Tag. Das Wetter war grandios. Zwischen 20 und 38 Grad war alles dabei und da kann man sich dann auch mit teils kräftigen Windböen ganz gut anfreunden. Regen Fehlanzeige. Wirklich negativ im Gedächtnis bleibt mir nur die Geldbeschaffung, die sich auch über den Vorfall in Tel Aviv hinaus schwieriger gestaltete als überall sonst, wo ich bisher war.

Die Menschen waren mir gegenüber stets freundlich und offen. Auch in der Hinsicht kann ich nichts schlechtes über Israel sagen. Ansprechen muss ich trotzdem die heikle politische Situation in diesem Land. Von israelischer Seite wird das Thema ziemlich heruntergespielt. Die Worte Palästina, Gaza und Westjordanland hört man selten. Nach dem hiesigen Narativ gehört das alles zu Israel. Darüber wird gar nicht diskutiert. Ich gebe zu, ich habe die Thematik gegenüber Einheimischen nie angestoßen, einfach um niemandem auf die Füße zu treten. Das Eis war mir ehrlich gesagt zu dünn. Meine persönliche Meinung zum Konflikt werde ich hier nicht breittreten. Dafür ist hier nicht die Bühne. Ich finde es zunächst einmal wichtig, sich bewusst zu machen, dass hier nicht alles eitel Sonnenschein ist und sensibel für die Lage zu sein, die gerne totgeschwiegen wird. Nur als kleiner Denkanstoß für jeden, der sich einmal in diesen Breitengraden bewegt.

Auch wenn ich nicht der Typ bin, der im Nachhinein Dinge bereut, gibt es doch eine Sache, die ich beim nächsten Mal anders machen würde. Ich würde nicht an einem Samstag fliegen. Verdammte Axt. Hier offenbart sich final meine lückenhafte Planung. Es ist wieder Sabbat und auch wenn an einem internationalen Flughafen der Verkehr wie gewohnt abgewickelt wird, geht außerhalb des Terminals so gut wie gar nichts. So sah ich mich gezwungen, absurde 18 Stunden vor meinem Flug am Airport zu sein und versuche mich verzweifelt daran zu erinnern, was Tom Hanks in diesem Film nochmal gemacht hat, um sich am Flughafen die Zeit zu vertreiben. Nun ja, eine Nacht im Flughafen zu verbringen, ist nichts Neues für mich und im Warten bin ich auch routiniert. Ich schau mir einfach die Anzeigetafeln an und lass mich inspirieren, wohin die nächste Reise gehen könnte. Wenn ihr wollt, nehme ich euch wieder auf diesem Kanal mit. Der Shaolinzonk ist ready for take off. Macht’s gut und bis zum nächsten Abenteuer.

Per Anhalter durch Galiläa

Die Sonne senkt sich über dem Mittelmeer. Das Rauschen der Wellen wird immer seltener von hupenden Autos übertönt. Dann schallt es aus den Lautsprechern der Minarette: „Allahu Akbar“…

Ich bin in Akko. Ich sitze an diesem kleinen Strandabschnitt außerhalb der Stadtmauern und ich habe Gänsehaut. Die Temperatur trägt mitnichten dazu bei. Auch heute wird das Thermometer nicht unter 20 Grad fallen. Mich fasziniert der Gesang des Muezzin. Mich fasziniert, wie er hypnotisch und doch so leidenschaftlich klingt. Es ist der letzte Tag des islamischen Fastenmonats Ramadan und in diesem Moment erinnere ich mich an ein Seminar zum Thema Nahostkonflikt zurück. Damals an der Uni hatte man sich ein geschlagenes Semester mit den Hintergründen der politischen Situation im heutigen Staat Israel beschäftigt. Der Gedanke, der mir in diesem Augenblick wieder in den Sinn kommt: Je mehr ich über dieses Land erfahre, desto weniger verstehe ich es.

Im Unterschied zu damals stört mich diese Erkenntnis nicht. Ich habe in den vergangenen Tagen auch nicht versucht, irgendetwas zu verstehen. Wie naiv wäre das? Nein, ich finde witzigerweise Gefallen daran. Wieso muss man denn alles verstehen? Das hat etwas Fesselndes. Insbesondere auch der Islam, über den sich hierzulande ja die Gelehrten streiten, ob er denn dazugehören würde oder nicht. In Israel lässt er sich noch weniger wegdiskutieren als in Deutschland. Ich bekomme gerade unheimlich Lust, meine Reise Richtung Jordanien oder Iran fortzusetzen aber bevor mir das gleich irgendjemand ausreden will… ich hab sowieso nicht die Zeit für solche Scherze.

Schauen wir stattdessen noch ein paar Tage zurück. Wie verdient dieser Artikel denn eigentlich seinen Namen? Von Jerusalem aus ging es (noch ganz konservativ) mit dem Bus nach Tiberias. Die Stadt am See Genezareth diente mir als Kontrollzentrum, von wo aus der weitere Schlachtplan entworfen werden sollte. Nicht mehr nicht weniger. Eine Nacht Aufenthalt und mit Autostopp nach Katzrin, seines Zeichens auch nicht die Stadt, die mit einer nennenswerten Attraktion glänzen könnte. Man muss sich also noch ein Bisschen weiter befördern lassen und kann dann sehr gut wandern. Nun ja, sofern man bei 35 Grad sehr gut wandern kann. Die Distanzen sind ziemlich kurz und schnell fanden sich liebe Menschen, die mich ein Stück weit mitnahmen. Kaum zu glauben, dass die ganze Aktion bereits um zwei Uhr beendet und ich schon wieder im Hostel in Katzrin war. Da fällt mir ein, das Hostel ist die Attraktion der Stadt (ist wenigstens meine Meinung). Denn zum Frühstück gibt es im Golan Garden Hostel Bananenpfannkuchen! Es gibt noch weitere Gründe, die dieses Haus überaus liebenswert machen aber ich will euch nicht mit Details langweilen, wenn ohnehin jeder durch die Pfannkuchen restlos von der überlegenen Qualität des Hostels überzeugt sein sollte.

Man hätte durchaus noch weiter in die Golan Höhen vordringen können. Allein mir fehlt wie so oft die Zeit. Und so wird Akko bereits die vorletzte Station meiner Reise sein. Den Schlusspunkt setzt dann Tel Aviv.

Reise nach Jerusalem – Warte auf die Karte

Der Vergleich zu den US-amerikanischen Metropolen im vorangegangenen Beitrag legt bereits nahe, einen kompletten Kulturschock erleidet man in Tel Aviv nicht zwangsläufig. In den Straßen riecht man zwar das orientalische Essen aber die Menschen sind angezogen wie in weiten Teilen Europas und sie fahren bevorzugt diese e-Scooter, um von A nach B zu kommen.

Insofern habe ich mich sehr auf Jerusalem gefreut. Gespannt war ich vor allem auf den religiösen Einfluss von Islam und natürlich dem Judentum, der dem Vernehmen nach deutlich größer sein musste als in Tel Aviv. Dorthin zu kommen schien wie eine sichere Nummer. Bus oder Zug. Eine Stunde Fahrzeit. Total entspannt. Doch dann eine weitere Schrecksekunde: Der Geldautomat schluckt meine Karte und behält sie mit den Worten „Sorry, your card has been captured“ erstmal für sich. Das Horrorszenario schlechthin. Noch nirgends auf der Welt ist mir das passiert. Aber nicht von ungefähr nennen mich manche Leute „Lucky“. Lucky war nämlich, dass sich dieser Geldautomat vor einer (geöffneten) Bankfiliale befand. Ich müsste lügen, wenn ich schätzen müsste, wie oft ich welche benutzt habe, die dieses Kriterium nicht erfüllt haben. Oft. Sehr sehr oft und da hat es immer geklappt mit dem Geldabheben. An diesem Tage nicht aber der Weg zum Schalter macht schnell klar: Problem bekannt, es wartet bereits jemand mit erheblich mehr Zeitdruck auf seine Kreditkarte und es sollten während ich gewartet habe noch zwei weitere Personen hinzukommen.

Eine Viertelstunde später konnte der gierige Automat von einer Mitarbeiterin geöffnet werden und es wurde eine Runde Kreditkarten ausgegeben. Neuer Versuch. In derselben Filiale wohlgemerkt aber bei einem anderen ATM, wie man sie im Englischen nennt. Geld kommt. Karte kommt auch. Weiter im Programm.

Jerusalem. Wir bleiben bei den Vergleichen. Weniger e-Scooter als in Tel Aviv. Viel weniger Strand als Tel Aviv. Auf beides lege ich keinen großen Wert. Also soweit in Ordnung. Wovon gibt es mehr? Mehr streng gläubige Menschen. Mehr schwer bewaffnete Menschen. Beide Personengruppen wirken aber überwiegend entspannt, bisweilen sogar richtig gut gelaunt. Nicht dass ich religiösen Menschen die Fähigkeit, gut gelaunt zu sein, abgesprochen hätte. Erstaunlich finde ich dieses Auftreten vor allem bei Sicherheitskräften. Insofern nehme ich das Treiben auf den Straßen Jerusalems ziemlich locker zur Kenntnis. Das sieht nicht jeder so, wie mir Gespräche mit anderen Reisenden verraten. Aber vielleicht bin ich einfach total abgebrüht und sorgloser als der Durchschnitt. Hinzu kommen weitere Religionen und Ethnien, die in Tel Aviv weniger zahlreich vertreten sind: Ein nicht unwesentlicher Teil von Jerusalems Bevölkerung ist muslimischen Glaubens. Außerdem gibt es unter anderem eine große armenische und ethiopische Community. Kurzum: diese Stadt ist unheimlich vielfältig und abwechslungsreich. Ich bin begeistert.

Den Gang zur Klagemauer habe ich bewusst am ersten Tag noch vermieden. Darauf wollte ich mich mental erst vorbereiten. Als ich dann am nächsten Tag bei sengender Hitze vor ihr stand, war meine Gefühlslage doch weit entfernt von Spiritualität und Ergriffenheit. Die Zahl von betenden Juden und mehr oder weniger andächtigen Touristen hielt sich in etwa die Waage. Die Atmosphäre wurde für meine Begriffe der immensen Bedeutung des Ortes nicht gerecht. Der Besuch hatte etwas Befremdliches.

Wir bleiben beim omnipräsenten Thema Religion. Denn besonders einer Sache kann man sich in Israel auch als Heide nicht entziehen: Sabbat. Ab Freitag Nachmittag steht das öffentliche Leben nahezu still. Inwieweit das meine weitere Reiseplanung beeinflusst, werdet ihr in den kommenden Tagen noch erfahren. Es gibt keinen öffentlichen Nah- oder Fernverkehr und die meisten Läden sind geschlossen. Es ist schon verschärfter als bei uns an einem Sonn- oder Feiertag aber auch das hatte ich mir dramatischer vorgestellt. Dadurch dass nicht jeder diesen Tag zu 100% ernst nimmt, sei es weil man einen anderen oder zumindest weniger strengen Glauben hat oder weil man auch an diesem Tag den Touries Dinge verkaufen will, ist nicht komplett tote Hose. Jedoch durfte ich ganz unverhofft hautnah miterleben, was Sabbat für einen streng gläubigen Juden bedeutet. Ich sitze also im jüdischen Viertel der Altstadt und werde plötzlich von einem Paar angesprochen, ob ich denn Jude sei. Mein Nein war tatsächlich die erhoffte Antwort für die beiden. Denn als in ihrer Wohnung die Sicherung rausgesprungen war, durften die beiden nicht einfach den Schalter wieder umlegen. Selbst dieser lächerlich harmlos anmutende Handgriff ist an Sabbat tabu. So stellte ich meine handwerklichen Fähigkeiten zur Verfügung und betätigte einige Schalter. Leider bekamen wir die Klimaanlage nicht wieder zum Laufen aber die zwei waren trotzdem sehr dankbar und ich war es auch. Denn authentischer hätte ich die hiesige (Glaubens-)Kultur durch keine Tour oder Führung erleben können.