Sabbat, da war doch was…

Fast zwei Wochen Israel sind rum. Zeit für das obligatorische Fazit. Gemessen an meinen Erwartungen und Vorurteilen, denen man bisweilen begegnet, kann ich für mich festhalten: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ausgenommen das Gericht Shakshouka, das noch regelrecht am Dampfen ist, wenn es serviert wird. Kulinarisch war ich hier zweifelsohne bestens versorgt. Die Anzahl an kichererbsen-basierter Mahlzeiten, also Hummus und Falafel, betrug schätzungsweise 1,6 pro Tag. Das Wetter war grandios. Zwischen 20 und 38 Grad war alles dabei und da kann man sich dann auch mit teils kräftigen Windböen ganz gut anfreunden. Regen Fehlanzeige. Wirklich negativ im Gedächtnis bleibt mir nur die Geldbeschaffung, die sich auch über den Vorfall in Tel Aviv hinaus schwieriger gestaltete als überall sonst, wo ich bisher war.

Die Menschen waren mir gegenüber stets freundlich und offen. Auch in der Hinsicht kann ich nichts schlechtes über Israel sagen. Ansprechen muss ich trotzdem die heikle politische Situation in diesem Land. Von israelischer Seite wird das Thema ziemlich heruntergespielt. Die Worte Palästina, Gaza und Westjordanland hört man selten. Nach dem hiesigen Narativ gehört das alles zu Israel. Darüber wird gar nicht diskutiert. Ich gebe zu, ich habe die Thematik gegenüber Einheimischen nie angestoßen, einfach um niemandem auf die Füße zu treten. Das Eis war mir ehrlich gesagt zu dünn. Meine persönliche Meinung zum Konflikt werde ich hier nicht breittreten. Dafür ist hier nicht die Bühne. Ich finde es zunächst einmal wichtig, sich bewusst zu machen, dass hier nicht alles eitel Sonnenschein ist und sensibel für die Lage zu sein, die gerne totgeschwiegen wird. Nur als kleiner Denkanstoß für jeden, der sich einmal in diesen Breitengraden bewegt.

Auch wenn ich nicht der Typ bin, der im Nachhinein Dinge bereut, gibt es doch eine Sache, die ich beim nächsten Mal anders machen würde. Ich würde nicht an einem Samstag fliegen. Verdammte Axt. Hier offenbart sich final meine lückenhafte Planung. Es ist wieder Sabbat und auch wenn an einem internationalen Flughafen der Verkehr wie gewohnt abgewickelt wird, geht außerhalb des Terminals so gut wie gar nichts. So sah ich mich gezwungen, absurde 18 Stunden vor meinem Flug am Airport zu sein und versuche mich verzweifelt daran zu erinnern, was Tom Hanks in diesem Film nochmal gemacht hat, um sich am Flughafen die Zeit zu vertreiben. Nun ja, eine Nacht im Flughafen zu verbringen, ist nichts Neues für mich und im Warten bin ich auch routiniert. Ich schau mir einfach die Anzeigetafeln an und lass mich inspirieren, wohin die nächste Reise gehen könnte. Wenn ihr wollt, nehme ich euch wieder auf diesem Kanal mit. Der Shaolinzonk ist ready for take off. Macht’s gut und bis zum nächsten Abenteuer.

Per Anhalter durch Galiläa

Die Sonne senkt sich über dem Mittelmeer. Das Rauschen der Wellen wird immer seltener von hupenden Autos übertönt. Dann schallt es aus den Lautsprechern der Minarette: „Allahu Akbar“…

Ich bin in Akko. Ich sitze an diesem kleinen Strandabschnitt außerhalb der Stadtmauern und ich habe Gänsehaut. Die Temperatur trägt mitnichten dazu bei. Auch heute wird das Thermometer nicht unter 20 Grad fallen. Mich fasziniert der Gesang des Muezzin. Mich fasziniert, wie er hypnotisch und doch so leidenschaftlich klingt. Es ist der letzte Tag des islamischen Fastenmonats Ramadan und in diesem Moment erinnere ich mich an ein Seminar zum Thema Nahostkonflikt zurück. Damals an der Uni hatte man sich ein geschlagenes Semester mit den Hintergründen der politischen Situation im heutigen Staat Israel beschäftigt. Der Gedanke, der mir in diesem Augenblick wieder in den Sinn kommt: Je mehr ich über dieses Land erfahre, desto weniger verstehe ich es.

Im Unterschied zu damals stört mich diese Erkenntnis nicht. Ich habe in den vergangenen Tagen auch nicht versucht, irgendetwas zu verstehen. Wie naiv wäre das? Nein, ich finde witzigerweise Gefallen daran. Wieso muss man denn alles verstehen? Das hat etwas Fesselndes. Insbesondere auch der Islam, über den sich hierzulande ja die Gelehrten streiten, ob er denn dazugehören würde oder nicht. In Israel lässt er sich noch weniger wegdiskutieren als in Deutschland. Ich bekomme gerade unheimlich Lust, meine Reise Richtung Jordanien oder Iran fortzusetzen aber bevor mir das gleich irgendjemand ausreden will… ich hab sowieso nicht die Zeit für solche Scherze.

Schauen wir stattdessen noch ein paar Tage zurück. Wie verdient dieser Artikel denn eigentlich seinen Namen? Von Jerusalem aus ging es (noch ganz konservativ) mit dem Bus nach Tiberias. Die Stadt am See Genezareth diente mir als Kontrollzentrum, von wo aus der weitere Schlachtplan entworfen werden sollte. Nicht mehr nicht weniger. Eine Nacht Aufenthalt und mit Autostopp nach Katzrin, seines Zeichens auch nicht die Stadt, die mit einer nennenswerten Attraktion glänzen könnte. Man muss sich also noch ein Bisschen weiter befördern lassen und kann dann sehr gut wandern. Nun ja, sofern man bei 35 Grad sehr gut wandern kann. Die Distanzen sind ziemlich kurz und schnell fanden sich liebe Menschen, die mich ein Stück weit mitnahmen. Kaum zu glauben, dass die ganze Aktion bereits um zwei Uhr beendet und ich schon wieder im Hostel in Katzrin war. Da fällt mir ein, das Hostel ist die Attraktion der Stadt (ist wenigstens meine Meinung). Denn zum Frühstück gibt es im Golan Garden Hostel Bananenpfannkuchen! Es gibt noch weitere Gründe, die dieses Haus überaus liebenswert machen aber ich will euch nicht mit Details langweilen, wenn ohnehin jeder durch die Pfannkuchen restlos von der überlegenen Qualität des Hostels überzeugt sein sollte.

Man hätte durchaus noch weiter in die Golan Höhen vordringen können. Allein mir fehlt wie so oft die Zeit. Und so wird Akko bereits die vorletzte Station meiner Reise sein. Den Schlusspunkt setzt dann Tel Aviv.

Reise nach Jerusalem – Warte auf die Karte

Der Vergleich zu den US-amerikanischen Metropolen im vorangegangenen Beitrag legt bereits nahe, einen kompletten Kulturschock erleidet man in Tel Aviv nicht zwangsläufig. In den Straßen riecht man zwar das orientalische Essen aber die Menschen sind angezogen wie in weiten Teilen Europas und sie fahren bevorzugt diese e-Scooter, um von A nach B zu kommen.

Insofern habe ich mich sehr auf Jerusalem gefreut. Gespannt war ich vor allem auf den religiösen Einfluss von Islam und natürlich dem Judentum, der dem Vernehmen nach deutlich größer sein musste als in Tel Aviv. Dorthin zu kommen schien wie eine sichere Nummer. Bus oder Zug. Eine Stunde Fahrzeit. Total entspannt. Doch dann eine weitere Schrecksekunde: Der Geldautomat schluckt meine Karte und behält sie mit den Worten „Sorry, your card has been captured“ erstmal für sich. Das Horrorszenario schlechthin. Noch nirgends auf der Welt ist mir das passiert. Aber nicht von ungefähr nennen mich manche Leute „Lucky“. Lucky war nämlich, dass sich dieser Geldautomat vor einer (geöffneten) Bankfiliale befand. Ich müsste lügen, wenn ich schätzen müsste, wie oft ich welche benutzt habe, die dieses Kriterium nicht erfüllt haben. Oft. Sehr sehr oft und da hat es immer geklappt mit dem Geldabheben. An diesem Tage nicht aber der Weg zum Schalter macht schnell klar: Problem bekannt, es wartet bereits jemand mit erheblich mehr Zeitdruck auf seine Kreditkarte und es sollten während ich gewartet habe noch zwei weitere Personen hinzukommen.

Eine Viertelstunde später konnte der gierige Automat von einer Mitarbeiterin geöffnet werden und es wurde eine Runde Kreditkarten ausgegeben. Neuer Versuch. In derselben Filiale wohlgemerkt aber bei einem anderen ATM, wie man sie im Englischen nennt. Geld kommt. Karte kommt auch. Weiter im Programm.

Jerusalem. Wir bleiben bei den Vergleichen. Weniger e-Scooter als in Tel Aviv. Viel weniger Strand als Tel Aviv. Auf beides lege ich keinen großen Wert. Also soweit in Ordnung. Wovon gibt es mehr? Mehr streng gläubige Menschen. Mehr schwer bewaffnete Menschen. Beide Personengruppen wirken aber überwiegend entspannt, bisweilen sogar richtig gut gelaunt. Nicht dass ich religiösen Menschen die Fähigkeit, gut gelaunt zu sein, abgesprochen hätte. Erstaunlich finde ich dieses Auftreten vor allem bei Sicherheitskräften. Insofern nehme ich das Treiben auf den Straßen Jerusalems ziemlich locker zur Kenntnis. Das sieht nicht jeder so, wie mir Gespräche mit anderen Reisenden verraten. Aber vielleicht bin ich einfach total abgebrüht und sorgloser als der Durchschnitt. Hinzu kommen weitere Religionen und Ethnien, die in Tel Aviv weniger zahlreich vertreten sind: Ein nicht unwesentlicher Teil von Jerusalems Bevölkerung ist muslimischen Glaubens. Außerdem gibt es unter anderem eine große armenische und ethiopische Community. Kurzum: diese Stadt ist unheimlich vielfältig und abwechslungsreich. Ich bin begeistert.

Den Gang zur Klagemauer habe ich bewusst am ersten Tag noch vermieden. Darauf wollte ich mich mental erst vorbereiten. Als ich dann am nächsten Tag bei sengender Hitze vor ihr stand, war meine Gefühlslage doch weit entfernt von Spiritualität und Ergriffenheit. Die Zahl von betenden Juden und mehr oder weniger andächtigen Touristen hielt sich in etwa die Waage. Die Atmosphäre wurde für meine Begriffe der immensen Bedeutung des Ortes nicht gerecht. Der Besuch hatte etwas Befremdliches.

Wir bleiben beim omnipräsenten Thema Religion. Denn besonders einer Sache kann man sich in Israel auch als Heide nicht entziehen: Sabbat. Ab Freitag Nachmittag steht das öffentliche Leben nahezu still. Inwieweit das meine weitere Reiseplanung beeinflusst, werdet ihr in den kommenden Tagen noch erfahren. Es gibt keinen öffentlichen Nah- oder Fernverkehr und die meisten Läden sind geschlossen. Es ist schon verschärfter als bei uns an einem Sonn- oder Feiertag aber auch das hatte ich mir dramatischer vorgestellt. Dadurch dass nicht jeder diesen Tag zu 100% ernst nimmt, sei es weil man einen anderen oder zumindest weniger strengen Glauben hat oder weil man auch an diesem Tag den Touries Dinge verkaufen will, ist nicht komplett tote Hose. Jedoch durfte ich ganz unverhofft hautnah miterleben, was Sabbat für einen streng gläubigen Juden bedeutet. Ich sitze also im jüdischen Viertel der Altstadt und werde plötzlich von einem Paar angesprochen, ob ich denn Jude sei. Mein Nein war tatsächlich die erhoffte Antwort für die beiden. Denn als in ihrer Wohnung die Sicherung rausgesprungen war, durften die beiden nicht einfach den Schalter wieder umlegen. Selbst dieser lächerlich harmlos anmutende Handgriff ist an Sabbat tabu. So stellte ich meine handwerklichen Fähigkeiten zur Verfügung und betätigte einige Schalter. Leider bekamen wir die Klimaanlage nicht wieder zum Laufen aber die zwei waren trotzdem sehr dankbar und ich war es auch. Denn authentischer hätte ich die hiesige (Glaubens-)Kultur durch keine Tour oder Führung erleben können.