Architektur, Kunst und Revolution

Dass mit Granada und Leon nun zwei Städte auf dem Plan standen, war eine willkommene Abwechslung zum Inselleben auf Ometepe. Jede der beiden Städte hat ihren eigenen Charakter. Granada gilt als die chice Kolonialstadt und Leon ist stolz auf seinen Status als Zentrum der Revolution, die einst den Diktator stürzte.

Granada liegt an den Ufern des Lago Nicaragua und konnte früher mit der Fähre von Ometepe aus erreicht werden. Aufgrund des niedrigen Wasserstands verkehren aktuell jedoch keine Schiffe. Somit planten wir für die Anreise über die uns bereits bekannten Orte San Jorge und Rivas. Tatsächlich mussten wir aber gar nicht ins hektische Rivas zurück. Nach der Taxifahrt in Ometepe zum Hafen und der anschließenden Fährverbindung über den See stand in San Jorge nicht das kleine, kompakte Colectivo sondern ein ausgewachsener Reisebus mit der Aufschrift „Rivas – Managua“. Wir hatten uns diesmal spontan mit einem belgischen Pärchen kurzgeschlossen und erkundigten uns, ob der Bus auch nach Granada fahren würde. Ins Zentrum von Granada fahre man auch, wurde uns versichert. Genial! Das ging viel leichter als gedacht! Mit einer ziemlichen frechen Aktion überraschte uns das Personal allerdings nach knapp einer Stunde. Plötzlich lief ein Kerl den Gang auf und ab und rief: „Granada, Granada, Granada! Ihr müsst hier aussteigen!“
Da wir die Fahrt per GPS verfolgten (wir sind schon ziemlich ausgebufft), wussten wir ganz sicher, dass wir noch nicht in Granada waren. Stattdessen waren wir an einer Abzweigung nach Managua. Der Bus würde hier weiter zur Hauptstadt fahren. Ein Stopp in Granada war – entgegen der Auskunft, die wir bekommen hatten – nie vorgesehen. Was für ein bemerkenswerter Zufall, dass an dieser Kreuzung mehrere Taxis und Tuk-Tuks bereitstanden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…
Also begann wieder spontan das Spielchen mit Preisverhandlungen und Absprachen mit den Mitreisenden. Doch wir waren schnell positiv überrascht, für welchen günstigen Tarif wir wenige Augenblicke später zu viert im Taxi saßen. Noch dazu bringt einen das Taxi anstatt zur Bushaltestelle direkt zum Hostel. Und so hatten wir nicht wirklich das Gefühl, abgezockt worden zu sein, sondern trugen ein breites Grinsen im Gesicht.

Die Stadt bietet einem interessante Gegensätze. Die bunten Häuser im Kolonialstil sind in einigen Ecken heruntergekommen und andernorts so dermaßen restauriert und hochglanzpoliert, dass es künstlich und unauthentisch aussieht. Und viele Abstufungen dazwischen gibt es natürlich auch.

Bestnoten bekommt Granada von uns für Unterkunft und Verpflegung. Das Oasis Hostel und das Garden Café gehörten zu unseren Favoriten auf der ganzen Reise. Schade war, dass die Stadt nach Sonnenuntergang ziemlich menschenleer war und nicht wirklich zu einem Abendspaziergang einlud. Wir waren schon dankbar für die „letzte Pizza des Tages“, die wir um halb neun ergattern konnten. Dann schnell von der dunklen Straße ins gut beleuchtete Hostel zurück.
In der Hinsicht machte Leon Spaß. Auch in der Nacht ist die Stadt viel lebhafter als die meisten anderen in Zentralamerika. Man spürt tatsächlich auch tagsüber eine andere Mentalität. Viele Studenten leben hier und politisch neigt man eher zum linken Spektrum. Einer, der sich in diesem Milieu zuhause fühlt und es einige Zeit sogar war, ist unser Landsmann Reinhard. Wir lernten den heutigen Rentner im Hostel kennen und erfuhren von seiner überaus spannenden Vita – wie er einst eine vielversprechende Karriere als Banker aufgab, um danach mehrere Jahre als Entwicklungshelfer in Nicaragua und Honduras zu arbeiten. Nun ist er auf einer Reise mit noch unbestimmtem Ende und derzeit in Leon, um alte Freunde zu besuchen.

Wahrzeichen der Stadt ist die kreideweiße Kathedrale. Weitere Kirchen und Museen zählen zu den Sehenswürdigkeiten.

Apropos Museen: Unser Besuch im Kunstmuseum geriet zu einer besonders exklusiven Veranstaltung. Außer uns beiden hielten sich keine weiteren Besucher in den Gebäuden auf. Allein waren wir aber zum Glück nicht. Das Personal war stets auf seinem Posten und zeigte Präsenz vor allem dadurch, dass immer genau die Gänge beleuchtet wurden, in denen wir uns gerade bewegten. Waren wir an einer Stelle vorbei, erlosch dort das Licht und weiter vorne gingen die Lampen an. Wie bei „1, 2 oder 3“. Nur dass wir immer richtig standen.

Nach so viel Architektur, Kunst und Revolution wollten wir nur eins: eine Hängematte mit Meerblick.

Ich will nur ins Paradies, wenn der Weg dorthin so schwierig ist

Nach einem Monat Costa Rica geht die Reise weiter in ein Land, das keinen so fabelhaften Ruf wie sein südlicher Nachbar genießt. Nicaragua. Ich muss sagen, dass ich vor Reiseplanung keinen blassen Schimmer hatte, was das Land besonders auszeichnet und was man hier so alles machen kann. Es stellt sich heraus, dass Nicaragua viel zu bieten hat: Bade- und Surfstrände, Vulkane, historische Kolonialstädte. Und auch wenn Nicaragua in weiten Teilen als vergleichsweise sicher gilt, war bei uns ein gewisser Respekt vorhanden. Die politische Lage war in den vergangenen Jahren sehr angespannt und man kennt einfach gegenüber Costa Rica weniger Leute, die dort schon einmal gereist sind.
So hat es auch ein zwei Tage gedauert, bis wir die Scheu ablegen konnten. Nach der Fahrt mit dem Minibus über die Grenze, auf der wir zusammen mit weiteren erfahrenen Backpackern eine sehr harmonische 7-köpfige Truppe bildeten, trennten sich unsere Wege in San Juan Del Sur, unserer ersten Station hier. Auf den ersten Blick war es relativ hektisch und laut und der Wohlfühlfaktor auf Anhieb nicht sehr hoch. Aber eine Nacht darauf, nach durchweg positiven Restaurant-Erfahrungen und spätestens nachdem wir fröhlich spielende Kinder noch weit nach Sonnenuntergang auf der Straße gesehen hatten, fühlten wir uns deutlich sicherer.
Sowohl nördlich als auch südlich von San Juan gibt es einige sehenswerte Strände. Der starke Wind, der während unseres gesamten Aufenthalt wehte, erlaubte uns leider nicht, ein zweites Mal auf unserer Reise zu surfen. Aber auch zum Sonnenbaden eignet sich unter anderem der Playa Hermosa hervorragend.

Der nächste Halt klingt schon beim Blick auf die Fakten spektakulär. Eine Insel mit zwei Vulkanen, einer davon aktiv, im größten See Zentralamerikas. Passend dazu war auch unsere Anreise auf die Isla de Ometepe spektakulär. Ganz bewusst haben wir uns nach gründlicher Recherche für die Variante Public Transport entschieden. Das geht so: Bus von San Juan Del Sur nach Rivas. Der Part war relativ locker. Eine Stunde Fahrt auf einer passablen Landstraße. Dann aber kommt man an dem Riesentumult an, der sich das Busterminal von Rivas nennt und muss dort Horden von Taxifahrern abwimmeln, die teilweise schon vor dem Halt in den Bus steigen und einem den Rucksack abnehmen und in ihr Fahrzeug werfen wollen. Wir verschaffen uns etwas Luft. Zusammen mit zwei Israelis, die ebenfalls zur Insel wollen, suchen wir parallel auf unseren Handys und fragen mehrere Locals nach den regulären Bussen zum Hafen von San Jorge, wo die Fähre ablegt und uns alle Taxis nur zu gerne auch hinchauffieren wollen. Immer wieder sprechen uns die Taxifahrer an. Der Preis wäre dabei gar nicht das Problem. Dieser ist grundsätzlich Verhandlungssache und nach europäischen Maßstäben marginal höher verglichen mit dem Bus. Aber die Penetranz, mit der man hier angegangen wird macht einen dann aus Prinzip trotzig. Wenn wir ein Taxi wollen, melden WIR uns. Genauso machen wir es dann. Wir halten etwas außerhalb des Terminals Taxis an und fragen nach dem Preis. Doch auch hier versammeln sich schnell weitere Personen um das Auto und es wird diskutiert, wie viel jeder einzelne zahlen soll, mal in Dollar mal in Landeswährung.
Enorm beharrlich und geduldig halten wir dieses Theater aus, vereinbaren immer wieder zu viert, welchen Preis wir nun doch akzeptieren würden, weil wir nicht sicher sind, ob der Bus uns an der Stelle abholt. Doch dann rufen zwei ältere Männer auf der anderen Seite der Straße, dass der Bus zu sehen ist. Erleichtert und mit einer großen Portion Genugtuung steigen wir in das sogenannte Colectivo ein, welches ständig neue Fahrgäste, oft ohne dabei anzuhalten, aufnimmt. Nächster Step erledigt. Und gerade noch rechtzeitig schaffen wir es auf die 12-Uhr-Fähre.

Die Überfahrt dauert eine Stunde und der heftige Wind lässt das Boot deutlich mehr schaukelt als man das auf einem See vermuten würde. Die Mittagssonne, die ungebremst aufs Deck scheint, macht es nicht unbedingt angenehmer. Wieder einen Schritt weiter. Wir legen in Moyogalpa auf der Isla de Ometepe an. Da wolle man aber nicht länger bleiben, erfuhren wir aus Blogs und Reiseführern. Also hatten wir ein Hostel in Balgüe gebucht, welches sich auf der anderen Seite der Insel befindet. Erneut bieten einige ihre Dienste zum Transport dorthin an, aber deutlich weniger als in Rivas. Wir lehnen ab, in dem Wissen, dass es heute noch einen Bus gibt, der uns nach Balgüe bringen würde. Jedoch hatten wir auch hier keine präzise Angabe zur Bushaltestelle. Wir verlassen zunächst den Hafen, fragen ein paar Einheimische, die es allerdings auch nicht mit Gewissheit wissen. Danach kehren wir zum Hafen zurück und finden dort schließlich unseren Bus. Ein allerletztes Mal fragen die Taxifahrer von draußen, ob man sich denn wirklich zwei Stunden Fahrt bei der Hitze antun möchte. Wir bejahen und machen uns in dem rappelvollen Bus auf den Weg nach Balgüe. Es werden sogar noch Snacks verkauft. Unter anderem Thunfisch-Gel. Mmm, lecker. Ein solches genehmigt sich die Dame, die neben uns im Gang steht. Die rosafarbene Paste schwimmt einfach so in einer Plastiktüte. Kurz ein Loch reinbeißen und ein paar Schluck davon schlürfen und im Anschluss legt sie die noch halbvolle Tüte neben Jesse’s Rucksack oben ins Gepäckfach. Doch zum Glück ist die Tüte offenbar gut verschlossen und unsere Furcht vor einer akuten Thunfisch-Dusche ist unbegründet.
Die Sonne hat sich bereits verabschiedet, als wir an diesem erlebnisreichen Reisetag im Hostel ankommen.

Im Gegensatz zu unserer Busfahrt gab es in der restlichen Zeit auf der Insel selten derartig viele Menschen auf einem Haufen. Wenigstens in den Teilen der Insel, in denen wir uns aufhielten (nach Balgüe das sogar noch beschaulichere Mérida), fühlt man sich schon fernab der Zivilisation. Es gibt kaum Verkehr. Gelegentlich fahren Roller und Motorräder vorbei, auf denen bis zu drei Personen Platz finden. Straßenhunde, Hühner, Pferde, Schweine und Kühe sieht man an fast jeder Ecke. Die Menschen hier haben nicht viel, aber sie wirken glücklich. Besonders verblüfft waren wir von den Schulkindern, die mit ihren makellos sauberen Uniformen aus den schmutzigen Wellblechhütten spazierten.

Ometepe ist idyllisch. Allerdings ist es ohne fahrbaren Untersatz kompliziert, von A nach B zu kommen. Um auch in steinigem Gelände zurechtzukommen, haben wir uns für ein Quad entschieden.

Nach einer kurzen Instruktion machten wir uns auf den Weg zum Wasserfall von San Ramon. Eigentlich hätte man sich ein großes Stück des Weges sparen und bis zu einem kleinen Parkplatz fahren können. Doch mitten in dieser steilen Passage streikte der Motor unseres Vehikels und wir mussten es gut einen Kilometer früher abstellen als geplant. „Haben wir die Kiste jetzt geschrottet?“ In der Hoffnung, dass sich der Motor nach unserem Marsch zum Wasserfall wieder regeneriert haben wird, laufen wir los. Gut, dass wir Spaß an schwierigen Wegen haben. Die Abkühlung am Wasserfall kam uns dann wirklich gelegen. Die Cascada San Ramon führt zwar weniger Wasser als in der Regenzeit, was vermeintlich spektakulärer aussehen würde. Jedoch konnte man nun buchstäblich im Wasserfall duschen.
Ach ja, unser Quad lief dann bergab (und nach seiner dreistündigen Pause) wieder einwandfrei. Zum Glück, denn „lost in paradise“ ist nicht immer so schön, wie es klingt…